Saisonbericht Jungwölfe U23

von Marcel Skirde

Der junge Wolf bereit für den Sprung?

District Line – South Kensington. Die Wimbledon Championship läuft. Auf dem Weg nach Easter London fällt mir neben der zahlreichen belanglosen Werbung in der ‚Tube‘ das Zitat von Katie Boulter ins Auge – ein perfekter Aufhänger für den Saisonbericht unserer U23.

Komplett neuformiert, aber auch voller Tatendrang startete die U23 in die Vorbereitung auf die Saison 2024/25. Viel Arbeit ist in dieser Zeit passiert, die niemand gesehen hat. Unzählige Stunden im Fitnessstudio, auf der Laufbahn und natürlich in den Rimparer Sporthallen. Zahlreiche Testspiele, die meisten gegen Mannschaften aus der Regionalliga, die uns mit einem guten Gefühl zurückgelassen haben. Wir hatten alles uns Mögliche getan. Wir wussten, dass wir mit einem Altersdurchschnitt von circa 20 Jahren die mit Abstand jüngste Mannschaft der Oberliga Nord stellten. Einzig unser Routinier Julian Sauer brachte wirkliche Erfahrung mit aufs Feld.

Am ersten Spieltag ging unsere Reise nach Hochdorf in Oberfranken. Ohne Harz. Natürlich hatten wir uns darauf vorbereitet. Das erste Mal seit Jahren hatten wir neue Bälle gekauft (die nicht gleich eingeharzt wurden) und Trainingseinheiten ohne Harz durchgeführt. Hochfranken startete aus Aufsteiger aus der Bezirksoberliga in die Oberliga-Saison. Wir verloren das Spiel. Nicht weil wir ohne Harz spielen mussten, sondern weil wir in der zweiten Halbzeit Angst vor der eigenen Courage bekamen und mit dem Abpfiff die viel abgezockteren Sportsfreunde aus Hochdorf den Siegtreffer einnetzten (24:23). Die Köpfe waren unten. Bedröppelt saßen wir mit unserer jungen Truppe nach dem Spiel in der Umkleide. Trust the process.

Wir gewannen das Rückspiel 30:18.

Der zweite Spieltag führte uns erneut nach Oberfranken. Diesmal allerdings nicht zum Aufsteiger, sondern zum ambitionierten ASV Cham, der nach dem Abstieg aus der Regionalliga vor einigen Jahren zurück ins Bayerische Oberhaus wollte. Wir kämpften, und kämpften, aber gegen die eingespielten und physisch starken Chamer sahen wir wortwörtlich kein Land. Wir verloren deutlich (35:23). Spieltag 2, nach dem Abstieg aus der Regionalliga, 0:4 Punkte. Shit. Trust the process?

Wir gewannen das Rückspiel 35:33.

 

Spieltag drei: Gegner war die SG Kernfranken, ebenfalls Aufsteiger aus der Bezirksoberliga. Wir quälten uns durch jede Minute des Spieles. Athletisch und spielerisch waren wir zu jedem Zeitpunkt überlegen. Aber wir waren auch nervös. 0:4 Punkte. Am Ende eines furchtbar anzusehenden Handballspieles nahmen wir unsere ersten zwei Punkte aus der Oberliga mit (24:32).

Dann endlich: Unser erstes Heimspiel. Gleich gegen den Lokalrivalen aus der Rhön. Die DJK und der HSC Bad Neustadt trafen schon in der dritten Liga und Regionalliga aufeinander. Das war das erste Aufeinandertreffen in der Oberliga. Mit einem Start-Ziel-Sieg überrannten die Jungwölfe den HSC (36:23). Da war er. Ein kleiner Funken. Die Zuschauer hatte es nicht mitgerissen, aber uns. Das erste Mal fühlte es sich richtig an, dass wir wochenlang in der Vorbereitung geackert hatten. These moments feed the fire.

Der Dämpfer folgte sogleich. Zwar nahmen wir zwei Punkte beim Aufsteiger aus Michelfeld mit, verloren aber mit der schweren Verletzung von Julian Sauer unseren erfahrensten Spieler.

Wir arbeiteten und kämpften uns durch die nächsten Wochen. Der knappen, und deshalb umso bitterere Niederlage beim späteren Meistern HBC Nürnberg nach 46 Minuten in Führung (31:29), folgten Siege gegen Eching und Regensburg, sowie ein tolles Spiel vor vielen Zuschauern direkt vor der Weihnachtspause. Ein 42:33 Sieg gegen den späteren Tabellenvierten platzierte uns vor der Weihnachtspause in Lauerstellung auf die begehrten Plätze 1 und 2, die zum Aufstieg bzw. Teilnahme an der Relegation befähigen. But it does not start there.

Nach einem herausfordernden Start in die Saison standen die Jungwölfe nicht vor einem „Rien ne va plus“ (Nichts geht mehr), sondern einem „Tout est encore possible“ (Alles geht noch). Diese Position zur Rückrunde hatten sich die Jungwölfe nicht durch Zufall erarbeitet, sondern basiert auf vier Elementen:

(1) Die Mannschaft bekommt den Rahmen, den sie verdient. Das fängt mit dem Namen „Jungwölfe U23“ an, mit dem wir uns alle besser identifizieren können als mit „H2“. Unser Name steht für unser Idee und impliziert keine Zweitklassigkeit. Unsere Heimspiele haben wieder den Rahmen bekommen, den es verdient: Einlaufkinder (großer Dank an unsere Minis, E- und D-Jugend), Aktivitäten um den Spieltag wie das Nikolausspiel, die Weihnachtsfeier und das Faschingsspiel (großer Dank an unser Eventteam) und natürlich ein großer Dank an unsere Hallensprecher Felix Noe und Tim Wunderling.

(2) Das Tempospiel-lastige Angriffsspiel der Jungwölfe übt massiven Druck auf alle Mannschaften in der Liga aus. Körperliche Nachteile gleichen wir mit hoher Agilität und Geschwindigkeit aus. Unser Spielsystem und unser Leitbild passen zu unseren Fähigkeiten.

(3) Harte Arbeit – da wo es niemand sieht. Das heißt für uns: wir trainieren an vier Tagen in der Woche, bei Spielen am Sonntag trainieren wir oft noch am Samstag davor. Wir haben die Umfänge des Athletiktrainings erhöht, und in Zusammenarbeit mit unserem Athletiktrainer Ümit Hayta das Athletiktraining nicht nur auf die Bedürfnisse des modernen Handballs zugeschnitten, sondern explizit auch auf die Bedürfnisse der Jungwölfe. Wir haben unser Video-Studium (vor allem retrospektiv) gesteigert. Wir haben unser Verhalten im Training und Spielen verbessert: Kein Fast Food mehr auf Auswärtsspielen, gemeinsame Rituale vor und nach dem Spiel, hohe Trainingsbeteiligung.

(4) Gemeinsames Ziel und gemeinsames Leitbild. Wir wollten das gleiche Ziel mit den gleichen Mitteln erreichen. Das versprach uns einen hohe Trainingseinsatz und in der Regel außerhalb der Grippewelle auch eine hohe Trainingsbeteiligung. Wir sind alle „all in“ gegangen. Dabei haben uns die vielen gemeinsamen Stunden in der Sporthalle, ob bis 22:00 Uhr (oder auch mal darüber hinaus) nicht satt werden lassen, sondern noch hungriger werden lassen. The focus in these moments feeds the fire.

Hat es am Ende für den großen Sprung gereicht? Jein. Tabellarisch bleiben wir auf einem undankbaren dritten Platz zurück. Die Konkurrenz aus Cham und Nürnberg war einfach stärker. Beide Mannschaften brachten stärkere Individualisten und mehr Erfahrung auf die Platte und standen am Ende zurecht vor uns. Wie knapp das jeweils war, zeigen die Ergebnisse der Rückrunde: Während wir Cham in einer umkämpften Partie schlagen, ziehen wir gegen Nürnberg nach 40 Minuten Führung wieder den Kürzeren. Einen Sprung haben die Jungwölfe aber gemacht. An den Widerständen der Saison haben sich unsere jungen Talente weiterentwickelt, handballerisch wie charakterlich. Wir sind als Mannschaft reifer geworden, viele unserer jungen Spieler sind an ihren Führungsaufgaben gewachsen. Dabei ist eines nie zu kurz gekommen: Wir hatten einfach gemeinsam verdammt viel Spaß in den letzten 12 Monaten.

Nach der Saison müssen wir unseren Julian Sauer nach seiner schweren Verletzung leider in den Handball Ruhestand verabschieden. Mit Johnny Bruno Beck wechselt nicht nur ein Teil der Wölfe nach Pfullingen, sondern auch ein integraler Bestandteil der Jungwölfe. Wir bedanken uns auch bei unseren Herren 3 Spielern, die immer wieder ausgeholfen haben, wenn Not am Mann war.

Das Gesicht der Mannschaft bleibt zur kommenden Saison dabei nahezu unverändert. Der Kader wird verstärkt durch Thilo Kohlmann (davor HSG Mainfranken), Emil Thiel (TSV Friedberg) und Fabian Kretzer (Herren 3). Mit Julius „Bobby“ Weinhardt kehrt ein „H2-Urgestein“ zurück. Als Mentor und Führungsspieler wird Julius seine Erfahrung im Trainings- und Spielbetrieb an unsere „Jungwölfe“ weitergeben. Auf der Trainerbank wird das Team durch Co-Trainer Yannic Frenzel verstärkt. Strukturell wird die Arbeit der U23 in der kommenden Saison noch stärker in die Nachwuchsförderung eingebunden und ist Teil des „grünen Fadens“.

What makes us feel alive? Was uns antreibt und umtreibt ist das Gleiche wie vor 12 Monaten. Wir freuen uns auf die Saison. The pressure. The intensity. The game.

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