Tobias Büttner ist ehemaliger Spieler der Wölfe und ein lebensfroher Zeitgenosse, bis ein Unfall sein gesamtes Leben auf den Kopf stellt. Anstatt zu resignieren, kämpft sich Tobi zurück und demonstriert einen unbändigen Willen. Nicht nur, dass er medizinischen Prognosen trotzen konnte, engagiert er sich nun mit seiner Stiftung „Nerven aus Stahl“ dafür, Personen mit ähnlichen Schicksalen helfen zu können. Die Würzburger Kickers und die Wölfe wollen dem 28-Jährigen dabei unterstützen und planen eine gemeinsame Aktion, um Trikots für dessen Stiftung zu versteigern und zumindest einen kleinen Beitrag zu leisten. Soziales Engagement wird im Wolfsrevier stets groß geschrieben. Alexander Rausch, Pressesprecher bei den „Rothosen“, hat sich mit Tobi unterhalten. Hier lest ihr das Interview.
Tobias Büttners Geschichte beeindruckt. Der heute 28-Jährige spielte in der 2. Handball-Bundesliga, unter anderem bei der DJK Rimpar Wölfe. Er führte ein normales Leben, arbeitete als Teamleiter bei der Sparkasse Forchheim und flog zum Feiern mit seinen Freunden auf die Urlaubsinsel Mallorca. Doch genau diese Tage Ende Juli 2019, die eigentlich die entspanntesten des Jahres werden sollten, veränderten Büttners Leben komplett. Er rutschte in einer Diskothek aus, landete unglücklich und war fortan ab dem dritten Halswirbel inkomplett querschnittgelähmt. Eine Schockdiagnose. Doch Büttner blieb positiv und kämpfte sich ins Leben zurück. Handball wird er zwar nicht mehr spielen können, doch mittlerweile arbeitet er wieder und kann sogar selbstständig kurze Wege gehen. Zudem gründete er vergangenes Jahr die Stiftung „Nerven aus Stahl“, die die Heinrich-Sommer-Klinik in Bad Wildbad und das Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Behinderter in Erlangen unterstützt.
An was erinnerst du dich noch aus diesem ominösen Mallorca-Urlaub?
Wir hatten normalen Spaß, wie alle Mallorca-Urlauber. Der Unfall ereignete sich Montagmittag, nachdem wir zwei Freibier abgesahnt und eine Pizza gegessen hatten. Wir waren alle weit entfernt davon, betrunken zu sein. An den Unfall selbst kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß erst wieder, wie ich am Boden liege und merke, dass ich Hals abwärts nichts mehr bewegen kann. Auch meine Kumpels haben den Unfall nicht gesehen. Ich muss wohl weggerutscht oder gestolpert und dann über einen Hocker gefallen sein. Dieser hat mich ausgehebelt, so dass ich unglücklich mit dem Kopf aufgeschlagen bin. Dabei sind mir die Bandscheiben zwischen dem dritten und vierten sowie vierten und fünften Halswirbel gerissen. Diese haben das Rückenmark gequetscht und die Lähmung verursacht.
Ich war dann zwei Tage dort im Krankenhaus. Nach CT und MRT wurde mir gesagt, dass ich in vier Wochen ohne Operation wieder der Alte wäre. Glücklicherweise hat sich meine Auslandskrankenversicherung um alles gekümmert und ich wurde nach Deutschland geflogen, wo ich in Bad Berka sofort notoperiert wurde, um den Druck vom Rückenmark zu nehmen. Die Bandscheiben wurden entfernt und die Halswirbel versteift. Darauf folgten vier Monate Krankenhausaufenthalt, ehe es in die Reha nach Bad Wildbad ging. An Ostern vergangenes Jahr bin ich dann wieder heimgekommen.
Wie bist du mit diesem unerwarteten Schicksalsschlag umgegangen?
Mir hat es den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich war immer ein positiver, humorvoller Mensch. Ich habe immer einen dummen Spruch auf den Lippen. Das Glas war für mich immer halbvoll und nicht halbleer. Diese Einstellung hat die Situation erleichtert. Die ersten zehn Tagen war ich in meiner eigenen Welt aufgrund der hohen Medikamentendosis. Ich war auf einem richtigen Drogentrip. Danach saß der Schock sehr tief. Ich konnte nichts mehr bewegen, hatte Probleme mit dem selbstständigen Atmen und Schlucken. Es stand in den ersten Tagen infrage, ob ich wieder selbstständig lebensfähig werde. Glücklicherweise hat sich mein Körper sehr zügig erholt, so dass nach ein paar Wochen in den Gliedmaßen die ersten kleinen Bewegungen wieder kamen. Die Diagnose war: Alles kann, nichts muss. Die Krankheitsverläufe sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Die Psyche spielt zudem eine sehr große Rolle. Das ist eine Extremsituation, mit der jeder anders umgeht. Auch meine Vergangenheit als Leistungssportler und meine berufliche Situation als Bankkaufmann haben mir sehr geholfen.
Wie hat dein Umfeld reagiert?
Unterschiedlich, je nach Grundeinstellung. Für meine Familie war sehr wichtig zu sehen, dass ich die Situation angenommen und nicht allzu lange gehadert habe. Ich habe mir nicht die Frage gestellt, warum ist mir das passiert, sondern wozu? Die Verletzung hatte auch ihre positiven Seiten. Ich wurde auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Vorher habe ich zu viel gearbeitet, nebenbei noch studiert, Handball gespielt. Daher war es für mich eine gewisse Erdung. Der große Zuspruch von allen Seiten, den wohl mein Umgang mit der Situation hervorgerufen hat, war für mich sehr prägend und motivierend.
Wie waren deine ganzen Fortschritte möglich?
Das Leben ist ein Geschenk und es ist beeindruckend, wie es möglich ist, mit schier ausweglosen Situationen positiv umzugehen. Sich an den positiven Dingen zu orientieren, macht das Leben sehr viel einfacher. Dennoch kamen die Fortschritte unerwartet. Auch die Ärzte waren eher pessimistisch und haben nicht damit gerechnet, dass viel wieder kommt, weil die Quetschung mit zwei Tagen schon sehr lange war. Daher waren die Erwartungen sehr gering.
Wie geht es dir heute?
Ich kann mit einem absolut reinen Gewissen sagen, dass es mir sehr gut geht. Ich habe meine Situation akzeptiert. Mein Leben ist ganz anders und ich habe massive Einschränkungen. Aber damit komme ich zurecht. Das wichtigste für mich war, dass ich den Alltag wieder hinbekomme und wieder eine Aufgabe habe. Ich übe meinen Beruf wieder aus. Bei bestimmten Dingen und Abläufen brauche ich Unterstützung, weil es mir körperlich alleine nicht möglich ist. Hier unterstützt mich mein Umfeld sehr. Ich habe eine gewisse Gehfähigkeit und kann kurze Wege alleine bestreiten. Mit dem Laufen eines gesunden Menschen hat das nichts zu tun. Auch meine Sensibilität ist wenig ausgeprägt. Wenn ich mir den Fuß anhaue, spüre ich keinen Schmerz. Auch mit dem Gleichgewicht habe ich Probleme. Zusätzlich kämpfe ich wegen muskulären Spastiken ständig gegen meine eigene Muskelkraft an.
Wie bist du daraufgekommen, eine Stiftung zu gründen und was willst du mit ihr bezwecken?
Die Berichterstattung der Mainpost erzielte eine sehr hohe Reichweite. Daraus entstand, mit meinem Cousin zusammen, die Idee, etwas Gutes zu tun. Das Thema Stiftung begleitet mich seit geraumer Zeit aus beruflichen Gründen. Über die Stiftergemeinschaft der Sparkasse habe ich mich dann im Februar 2020 entschlossen, eine Stiftung ins Leben zu rufen, um Spenden zu generieren. Die Resonanz war selbst für mich überraschend. Wir freuen uns über jeden Betrag, mit dem wir helfen können. Wir hatten auch in der Vergangenheit schon mehrere Projekte. Mit der Stiftung unterstützen wir zwei Einrichtungen: die Heinrich-Sommer-Klinik in Bad Wildbad. Das ist eine gemeinnützige Klinik unter der Trägerschaft der Josefs-Gesellschaft gGmbH. Sie ist auf Reha Querschnittgelähmter spezialisiert. Hier habe ich selbst meine viermonatige Reha verbracht. Die zweite Einrichtung ist das Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Behinderter in Erlangen, die sich um Inklusion kümmert und schwerbehinderte Menschen unterstützt, mit ihrem Alltag zurechtzukommen.
Was wünscht du dir für die Zukunft?
Ich will meine Lebensfreude zu keinem Zeitpunkt verlieren und mir den Spaß am Leben erhalten. Ich hoffe, dass sich mein körperlicher Zustand noch etwas verbessert. Dafür arbeite ich sehr hart. Zudem wurde ich durch die Verletzung sehr demütig und habe sehr viele tolle Menschen kennengelernt, woraus Freundschaften entstanden sind. Ich wünsche mir auch, dass so wenige Menschen wie möglich von einem solchen Schicksal betroffen werden. Und wenn doch, wünsche ich ihnen ähnliche Rahmenbedingungen wie ich sie hatte. Dann hoffe ich, dass die Stiftung, die ein spannendes Lebensprojekt ist, weiterhelfen kann, weil ich damit Gutes tun möchte. Und natürlich Gesundheit für alle, damit jeder sein Leben genießen kann. Wenn man morgens aufwacht und gesund ist, hat man alles, was man braucht.
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